PREISE

Tankred Dorst Preis (1998/1999 – 2008/2009)


Die Gesellschaft der Freunde und Förderer der Hochschule für Fernsehen und Film richtete anlässlich des 10jährigen Bestehens der DrehbuchWerkstatt München einen Preis für Absolventinnen und Absolventen ein. Der Preis wird jährlich verliehen. Er trägt den Titel Tankred-Dorst-Drehbuchpreis der DrehbuchWerkstatt München.


Preisträger 2009/2010 – heute

2008/2009: Stanislav Güntner für “Nemec”

Die Jury zeichnet mit Nemez  den Erstling eines vielversprechenden Autors aus. Gekonnt greift Stanislav Güntner zu einem Plot des klassischen Gangsterfilms, um das Milieu eines Russlanddeutschen, der zwischen alter und neuer Heimat hin und her gerissen ist, zu beschreiben. So schafft er einen fulminanten Einstieg, der die Hoffnungen auf eine interessante Entwicklung seines  Drehbuchs rechtfertigt. Tempo und Farbigkeit der Geschichte haben die Jury überzeugt.

2007/2008: Sönke Andresen für “Dustbuster”

Die Jury verleiht den Preis mit der Begründung: Und jetzt zu etwas ganz Anderem. Nachdem der Wellensittich Herr Neumann von einem Staubsauger eingesogen wurde, beginnt für dessen Besitzer, den Endsechziger Hubert Lotzmann, mitten im Advent ein Kreuzzug. Auf Befehl seiner Frau Annemarie muß Hubert den zwanzig Jahre alten, aus Familienbesitz stammenden und aufgrund der ungewöhnlichen Vogelfüllung durch einen Kurzschluß außer Betrieb gesetzten Staubsauger der Marke Dustbuster 500 reparieren lassen, komme, was da wolle. Und was da alles kommt, ist so unfaßbar und gleichzeitig so anrührend und irgendwie überhaupt nicht absurd, weil in diesen Irrsinnszeiten durchaus denkbar, dass man am Ende der Drehbuchlektüre nur noch beglückt ist von diesem Feuerwerk an Ideen. Globalisierungsgegner, durchdrehende Polizisten, selbstgefällige Moderatoren, ein betrunkener arabischer Bademeister – umschwärmt von zwei durchaus älteren Zwillingsschwestern -, eine junge, zu allem entschlossene Aktivistin und mittendrin – ja mittendrin ein Liebespaar, das in dieser Geschichte nicht nur die Wiedergeburt des Herrn Neumann feiert, sondern vor allem ihren 33. Hochzeitstag und ihre, allem Wahnsinn trotzende Liebe mit einem Hubert Lotzmann als Don Juan de Dustbuster. Es freut die Jury, dass sie sich ohne gegenseitige Androhung von meinungseinsaugenden Gegenständen auf das skurrilste, ungewöhnlichste und vielleicht komischste Drehbuch einigen konnten, das diese Drehbuchwerkstatt bisher hervorgebracht hat. Möglicherweise wird der produktionstechnische Aufwand etwas höher ausfallen als bei anderen Verfilmungen von Drehbüchern und der Autor, das steht fest, wird eine Menge zu tun haben, um seine Ideen vor den üblichen Notbremseziehern zu verteidigen. Aber: Wer so schreiben kann, der kann auch kämpfen.

2006/2007: Marianne Wendt für “Hälfte des Lebens”

Ost-Berlin 1986. Die allein erziehende Maike (30) hat sich gut eingerichtet in der DDR: Gemeinsam mit ihrem Sohn Paul (9), und Plattenwand an Plattenwand mit ihrer besten Freundin Ute (34) genießt sie ihre kleinen Freiheiten. Als Maike denWestberliner Peter (34) kennen lernt und sich verliebt, bleibt sie Realistin: Ihre Liebe hat keine Chance.

Was Maike nicht ahnt: Da Peter in Westberlin für die Alternative Liste arbeitet und Kontakte zu ostdeutschen Umweltgruppen hat, versucht die Staatssicherheit ihn abzuschöpfen. Da Maike sich weigert, zu „kooperieren“, gerät sie in einen Alptraum.

Im Betrieb wird sie kompromittiert, ihr wird ein Diebstahl untergeschoben, ihr Sohn muss die Schule wechseln. Schließlich begreift Maike, dass ihr Vertrauter Kleinert (36), der Bruder ihrer besten Freundin, für die Stasi arbeitet. Maike gelingt die überstürzte Flucht in den Westen, dabei ist sie gezwungen, ihren Sohn zurücklassen. Maike hofft auf eine schnelle Familienzusammenführung.

Euphorisch begrüßt Peter Maike in Westberlin. Doch die neue Liebe wird auf eine harte Probe gestellt: Die Westberliner Behörden helfen Maike nicht bei der Suche nach Paul. Endlich erhält sie ein erstes Lebenszeichen – ausgerechnet aus der Hand von Offizier Kleinert. Dieser beginnt, Maike zu erpressen. Nur, wenn sie endlich Berichte über Peter liefert, wird sie ihren Sohn wieder sehen. Verzweifelt lässt sich Maike auf das „Geschäft“ ein. Paul wird ohne ihr Wissen in der DDR zwangsadoptiert. Maike erfährt davon erst, als sie den Kontakt zu Kleinert abbrechen will. Ihr Verrat war umsonst. Maike versinkt in eine tiefe Lethargie, und so vergehen die Wochen bis zum 9. November 1989.

Noch in der Nacht des Mauerfalls beginnt sie, nach ihrem Sohn zu suchen. Was Maike herausfindet, trifft sie tief: Keiner ihrer Briefe ist je bei Paul angekommen – und die Briefe, die sie erhielt, waren alle von Kleinert geschrieben. Als Maike endlich vor ihrem Sohn steht, weigert sich dieser, mit ihr zu reden: Sie hat ihn schließlich verraten. Maike offenbart Peter, dass sie ihn bespitzelt hat. Ihre Beziehung scheint am Ende. Sie steht vor einem Scherbenhaufen. Doch Maike will noch eine Chance vom Leben.

2005/2006: Nue Amman für “Alzbeta”

Drama. Alzbeta glaubt an das Glück als Topmodel. Sie verlässt ihre vertraute Welt, erkämpft sich ihre Karriere und muss schmerzvoll erfahren, dass ihr Lebenstraum zum realen Albtraum wird.

Alzbetas Traum ist es Topmodel zu werden und dadurch die Enge ihrer Herkunft hinter sich zu lassen. Sie nimmt sie an einem Modelwettbewerb teil und reist ohne Wissen ihres alleinerziehenden Vaters, zur Endausscheidung. Mit dem Gewinn des Contests erlangt sie die Möglichkeit, bei der größten Agentur in Paris unterzukommen und als Model zu arbeiten. Als sie ihrem Vater den Erfolg strahlend präsentiert, reagiert er ablehnend, dennoch ergibt er sich schließlich mit gemischten Gefühlen ihrem Wunsch. Alzbeta reist ab, nimmt aber ein anhaltendes Schuldgefühl, ihren Vater verlassen zu haben, mit.

In Paris angekommen stürzt sich Alzbeta voller Herzblut ins Modelleben. Trotz der anfänglich mühsamen Schritte, lässt sie sich nicht entmutigen, sondern verfolgt mit großem Ehrgeiz ihr Ziel. Bei einem Gosee lernt sie den Fotoassistenten Hiskija kennen. Die beiden vereinbaren ein Testshooting und die daraus entstandenen Bilder verhelfen Alzbeta die Aufmerksamkeit der Agenturchefin, Claire, zu gewinnen. Alzbeta zieht bei Hiskija ein und sie werden ein Paar.

Gemeinsam mit dem Starvisagisten Esau beginnt Claire, Alzbetas Modelkarriere aufzubauen und ihren Charakter zu formen. Professionalität wird Alzbetas Credo. Emotionale und körperliche Schmerzen betäubt sie mit Drogen, an die sie durch Esau gelangt. So verwandelt sie sich in rasantem Tempo vom lauteren Landkind in ein erfolgreiches Topmodel mit allem was dazugehört.

Als Hiskija entdeckt, auf welche Weise sich Alzbeta ihre Karriere abtrotzt, bittet er sie dem Ganzen abzusagen. Doch die antrainierte Professionalität, sowie der Druck von Claire, lassen ihr keinen Raum zu sich zu finden. Hiskija verlässt sie. Dieser Bruch stürzt sie noch tiefer. Eine wichtige Show steht an, die sie nur durchhält, da Esau sie abermals versorgt. Alzbeta bricht nach der Show zusammen. Die Medien dokumentieren live ihren Kollaps. Sie ist am Ende ihrer Kräfte. Hiskija hilft ihr ein letztes Mal, bringt sie nach Hause, versorgt sie, dann geht er selbst.

Am nächsten Tag steht ihr Vater überraschenderweise vor ihrer Tür. Mit diesem Besuch ist Alzbetas vertrautes Leben, ihre Herkunft und Kindheit nach Paris gekommen. Alzbeta findet zu sich selbst zurück und kann einen neuen Weg wählen.

Imponierend genau in Personen und Vorgängen, verflogt Alsbeta die Model-Träume einer jungen Frau zum bitteren Ende. Das Drehbuch überzeugt in der Schilderung eines schillernden Umfelds, das zugleich einsteht für allgemeine gesellschaftliche Verhältnisse. Obwohl ihre Geschichte in einem sehr vordergründigen Milieu spielt, gelingt es der Autorin, dass der Zuschauer der Hauptfigur mit Sympathie folgen wird. Eine teilweise überbordende Entwicklungsgeschichte, die einer möglichen Realisierung sehr nahe steht.

Tankred Dorst, einer der herausragenden Gegenwartsdramatiker und Autoren, verschiedentlich als Drehbuchautor herausragender Filme tätig und langjähriger Dozent der Hochschule für Fernsehen und Film, hat seine Zustimmung erteilt. Ausgezeichnet wird ein herausragendes Buch des jeweiligen Jahrganges der DrehbuchWerkstatt München mit einem Preis-Geld von € 3.000. Das Kollegium von Leitung und Buchbetreuern der DrehbuchWerkstatt München nominiert drei Bücher. Eine unabhängige Jury, in der ein Vertreter des Vorstandes der DrehbuchWerkstatt vertreten ist, wählt daraus den Preis. Der Preis wurde erstmalig für den 10. Jahrgang (1998/99) verliehen.

2004/2005: Matthias Kiefersauer für “Baching”

Ein Autounfall mit tödlichem Ausgang betrifft sechs Menschen. Drei Jahre danach ringt jeder von ihnen um Würde – und ein bisschen Normalität.

Drei Jahre ist die kleine Lena Stocker aus Baching schon tot. Ihre Eltern Gabi und Bernhard, beides Lehrer, haben sich in der Zwischenzeit getrennt. Die Mutter hat einen neuen Freund, was der Vater äußerst eifersüchtig verfolgt. Dann taucht Benedikt Kirchner wieder im Dorf auf. Er hat damals Lena überfahren, betrunken. Benedikt will einen Neuanfang in Baching wagen – in der Großstadt ist er gescheitert.

Benedikts Erscheinen reißt alte Wunden auf: Bernhard Stocker sucht seine Nähe und überfordert ihn damit. Außerdem entdeckt Benedikts Ex-Freundin Annette, dass sie sich immer noch zu ihm hingezogen fühlt. Jedoch ist Annette mittlerweile mit Benedikts Bruder Robert liiert, hat sogar ein Kind mit ihm. Dennoch kommen sich die beiden immer näher. Robert ahnt davon wenig. Er freut sich einerseits, den lange vermissten Bruder wieder bei sich zu haben, hat aber andererseits Angst, dass er bald – zumindest in beruflicher Hinsicht – wieder in Benedikts Schatten stehen wird, aus dem er sich in den vergangenen Jahren mühsam herausgekämpft hat. Er hat nämlich die elterliche Wirtschaft übernommen, als Benedikt nach Berlin verschwand. Nach einem krankheitsbedingten Ausfall bietet sich ihm Benedikt immer offensiver als Aushilfskoch an. Aber Robert wehrt sich, obwohl seine Not angesichts des bevorstehenden Dorffests immer größer wird. Laura schließlich, eine alte Jugendfreundin von Benedikt, entdeckt in Benedikt die Möglichkeit, versuchsweise das sexuelle Doppelleben zu beenden, das sie führt.

In der Annäherung zu Benedikt zieht Annette im letzten Moment die Notbremse und entscheidet sich für Robert. Stocker muss einsehen, dass er seine Frau endgültig verloren hat. Benedikt will den Ort wieder verlassen, aber Vorwürfe von Laura, die beim Unfall im Auto saß, halten ihn zurück und treiben ihn in das Zelt des Dorffests. Robert bräuchte ihn dort mehr denn je, wehrt sich aber diesmal sogar körperlich gegen Benedikts Hilfe. Er wirft ihm vor, Robert nach dem Unfall in Stich gelassen zu haben – als Beifahrer bei dem tödlichen Unfall empfindet Robert eine Teilschuld.  Die Versöhnung der Brüder wird verhindert, weil sie ein Schuss ins Zelt ruft: Stocker will vor den Augen seiner Ex-Frau Selbstmord begehen. Benedikt und der Zufall halten ihn davon ab.

Monate später scheint sich der Alltag zu normalisieren. Die sechs Menschen aus Baching versuchen, anders mit der gemeinsamen Wunde umzugehen.

Lobende Erwähnung der Jury auch für Karin Michalkes “Beste Gegend”.

2003/2004: Robert Seethaler für “Heartbreakin'”

Die 16jährige Biene trifft auf ihrer abenteuerlichen Flucht aus einem Heim auf den abgehalfterten Rock’n Roller Kurt „Heartbreakin“ Dvorcak und begleitet ihn auf seiner letzten Tournee durch die Provinz. – Eine Geschichte über die Freiheit und über die Liebe.

Die 16-jährige Biene Kravcek lebt im Mädchenheim. Als sie sich in einen Baum setzt und der Welt ihren nackten Hintern zeigt, wird sie in die Psychiatrie eingewiesen. Biene aber flüchtet, und eine schwarze Putzfrau weissagt ihr in der Kinderecke eines nächtlichen Kaufhauses den Weg zum Glück.

Biene entkommt ihren Verfolgern, fährt in die Freiheit. An einem gottverlassenen Bahnhof steigt sie aus, rennt durchs weite Feld – und trifft auf den abgehalfterten, dicklichen, kettenrauchenden und ewig alkoholisierten Rock’ n Roller Kurt „Heartbreakin“ Dvorcak.

Biene schließt sich Kurt an. Gemeinsam touren die beiden nun in Kurts schepperndem aber glitzernden „Heartbreakin’-Mobil“ durch die Provinz, spielen in Wirtshäusern, Altenheimen und Zuchttierhallen, treffen auf pralle Frauen, gewaltige Bauern, Wirtinnen in roten Overalls, auf tausend Truthahnküken und erleben auch sonst einige bemerkenswerte Abenteuer.

Zwischen Biene und Kurt entwickelt sich nach vielen überwundenen Widerständen eine überaus zarte, seltsame Liebe. Als sie schließlich ihre Chance vor großem Publikum bekommen, wird Kurt von dem Schlagerstar Teddy Taylor öffentlich gedemütigt. Am Ufer eines schwarzen Teichs und in Bienes Armen bricht Kurt zusammen. Biene und er aber finden sich dabei endgültig. Noch einmal treffen sie auf Teddy Taylor und seinen blauen Cadillac. Kurt und Biene nützen die Gelegenheit und rächen sich fürchterlich! Auf der Flucht nach Tennessee zielt ein alarmierter Dorfpolizist auf die lachende Biene im Heartbreakin’-Mobil – und trifft Kurt. Die beiden entkommen. Kurt stirbt. Biene aber lebt den Traum: Hinterm Steuer des glitzernden Heartbreakin’-Mobil, begleitet vom Rock’ n Roll, fährt sie durch die weiten Felder Tennessees der Sonne entgegen.

Lobende Erwähnung der Jury für German Kral Tango Bar.

2002/2003: Florian Hanig für “Folgeschäden”

Wie gut kennt man die Menschen, denen man am nächsten steht? Eine Familiengeschichte in den Zeiten der Terrorangst.

Es ist eine Multikulti-Modellfamilie: der pakistanische Doktorand Tariq Azmi, seine deutsche Frau Maya, Art Directorin bei einem Magazin, ihr aufgeweckter kleiner Sohn Sharukh. Religiöse und kulturelle Differenzen (er ist moderater Muslim, sie hat lange keine Kirche mehr von innen gesehen) meistern sie mit Humor und gutem Willen. Als Wissenschaftler an einem Tropeninstitut steht Tariq kurz vor dem großen Erfolg. Er hat einen Impfstoff für Ebola entwickelt.

Die heile Welt bekommt Risse, als eines Tages zwei Polizisten in Mayas Büro auftauchen und sie über ihren Mann ausfragen. Da er auf der Hochzeit eines der 9/11-Piloten gefilmt wurde, könnte er ein „Schläfer“ sein, ein Terrorist auf Abruf.

Maya weist diesen Verdacht weit von sich, doch als kurz darauf Tariqs Bruder aus Pakistan auftaucht, wird sie unsicher, besonders weil ihr Tariq Sachen vorenthält, mit denen er sie nicht belasten möchte, zum Beispiel, dass ihm die Amerikaner das Visum für eine wichtige Konferenz verweigert haben.

Als nach einer Inventur im Tropeninstitut Ebola-Viren fehlen, erhält Tariq sogar Laborverbot. Der junge Pakistani spürt, wie ihm erst Nachbarn, dann sein Doktorvater und zum Schluss sogar seine Frau das Vertrauen entziehen.

Nur sein Bruder gibt Tariq Halt und weist ihm einen Weg. Doch der führt immer weiter weg von Maya. Werden die beiden es schaffen?

In seinem Drehbuch Folgeschäden dramatisiert Florian Hanig in überzeugender Weise die Auswirkungen des 11. Septembers auf den Stimmungsort Deutschland. Zeitnahe Inhalte wurden genau ermittelt, wirkungsvoll zum Einsatz gebracht und bereichern so das allgemeine Thema menschlicher Beziehung und ihrer Bedrohung durch lauernde Fremdheit um eine fesselnde, aktuelle Variante.

2001/2002: Michael Wildenhain für “Ins Offene” (1. Preis)

Anfang der 80er Jahre besetzen Frank Berberich und Khaled Jaafer gemeinsam ein Haus. 20 Jahre später ist Frank Polizist und stellt fest, dass Khaled Mitglied der Revolutionären Zellen war und einen Richter erschossen hat. Frank muss entscheiden, was schwerer wiegt: die frühere Freundschaft oder seine Pflicht als Polizeibeamter.

Frank Berberich und Khaled Jaafer, der die ersten Jahre in Beirut verbracht hat, sind seit der Schulzeit in Berlin die besten Freunde. Zusammen mit Senay Beyaztepe, Franks kurdischer Freundin, besetzen sie 1981 ein Haus in Westberlin. Dem überschwänglichen Aufbruch folgt die baldige Räumung durch die Polizei.

Bei der anschließenden Demonstration werden Khaled und Senay verhaftet, weil Frank ihnen nicht rasch genug beisteht. Als Senay verurteilt und in die Türkei abgeschoben wird, beendet Khaled die Freundschaft mit Frank brüsk. Frank, der damit nicht klarkommt, wird krank und verlässt Berlin.

Zwanzig Jahre später stößt Frank, inzwischen beim Landeskriminalamt in Berlin, durch Zufall erneut auf den früheren Freund. Im Zuge von Ermittlungen, die eigentlich gegen radikal-islamistische Strukturen gerichtet sind, muss Frank erkennen, dass Khaled nicht nur Mitglied der Revolutionären Zellen gewesen ist, sondern sehr wahrscheinlich auch einen hochrangigen, für Asylverfahren zuständigen Richter erschossen hat. Es ist derselbe Richter, der Senay 1981 verurteilt und abgeschoben hat.

Mit sich uneins und innerlich zerrissen behält Frank seinen Verdacht für sich, statt ihn Tanja Sewering, einer ihm beigeordneten Beamtin des Bundeskriminalamts, mitzuteilen. Er besucht Senay, die längst wieder in Berlin ist, und erfährt, dass sie in der Türkei gefoltert wurde. Nach dem Treffen weiß Frank erst recht weder ein noch aus, zumal sich Khaled während der Jahre um Senay gekümmert hat.

Er sucht Khaled auf, der, obwohl schon fast auf der Flucht, lange mit dem Freund von früher redet. Nur zu gern würde Frank glauben, was der einstige Weggefährte beteuert: Er, Khaled, sei an den zentralen Aktivitäten der Revolutionären Zellen kaum beteiligt gewesen. Aber dann verrät Khaled sich im Verlauf der Nacht. In dem Moment, als Frank den Tatsachen ins Auge blicken muss, kann Khaled Jaafer flüchten.

Der Film endet, wo er begonnen hat: Im Grenzgebiet zwischen der Schweiz und Italien. Dort sind die Freunde als Jugendliche Ski gelaufen, und dort, in den Bergen, kann Frank Khaled noch einmal stellen. Als Tanja Sewering, die junge und beharrliche Polizistin, auftaucht, muss Frank sich endgültig entscheiden. Am Ende ist er tot und Khaled ist entkommen.

Daniel Wolf für “Zores” (2. Preis)

Jüdischer Caterer zieht unfreiwillig Vorteil aus der nicht-verarbeiteten Vergangenheit seiner deutschen Kunden

Der Jude Leo Rosen ist nicht gerade vom Erfolg verwöhnt. Unzählige Studien abgebrochen, diverse Versuche als Unternehmer ein Bein auf den Boden zu kriegen – all das ist kläglich gescheitert. Finanziell kommt er dadurch über die Runden, dass ihm seine Mutter immer wieder was zusteckt. Außerdem bekommt er eine geringe Aufwandsentschädigung dafür, dass er die Jugendmannschaft eines jüdischen Sportclubs trainiert. So ist er inzwischen 35 Lenze alt geworden und lebt bei Mama. Die weiß nicht, dass Leo unsterblich in Claire verliebt ist, eine russische Jüdin, die seit 10 Jahren mit ihrem wesentlich jüngeren Bruder in München lebt. Bisher hat sich Leo noch nicht getraut ihr seine Gefühle zu gestehen, aus Angst sie könne ihm einen Korb geben. Dabei hätte er Claire am liebsten die ganze Zeit um sich. Da bietet sich ihm zufällig eine Chance hierzu. Der in geschäftlichen Dingen eher unbedarfte Leo kann einen Staatssekretär überzeugen, ihn mit dem Catering des bevorstehenden Sommerempfanges der Staatskanzlei zu beauftragen. Das Besondere daran – Leo wird ausschließlich jüdische Speisen darreichen. Er bietet Claire, die gerade arbeitslos ist, einen Job an, was daran scheitert, dass sie bereits auf Leos erstes zaghaftes Liebeswerben einsteigt, aber nun nicht mehr bereit ist für oder mit ihm zu arbeiten (niemals privates mit geschäftlichem mischen lautet ihre Devise). Leider lässt sich der Staatssekretär nicht überzeugen, die Sache abzublasen. Leo hat keine Ahnung, wie er den Auftrag alleine abwickeln soll, aber schließlich gelingt es ihm, seine Mutter zum Kochen zu überreden, und er stellt er ihr einen älteren skurrilen Wiener Koch als Hilfe zur Seite. Das nächste Problem gestaltet sich etwas schwieriger, denn die Bank will ihm kein Geld geben. Doch als der Filialleiter ohne Leos Absicht mitbekommt, dass das zu finanzierende Projekt im Zusammenhang mit jüdischem Essen steht, „überredet“ er den Kreditsachbearbeiter, dass er den Kredit erhält. Man verspricht sich durch die Unterstützung des Juden Leo eine Imageverbesserung. Claires jüngerer Bruder droht durchzufallen. Leo, der durch die Sache in der Bank erkannt hat, dass das Wort „jüdisch“ eine scheinbar magische Wirkung hat, versucht die Lehrerin durch den Vorwurf des Antisemitismus dazu zu bringen, den Jungen nicht durchfallen zu lassen. Zu dumm, dass sie selbst Jüdin ist. Claire ist sauer auf Leo, der nun wirklich alleine schauen kann, wie der das Fest über die Bühne bringt. Zu allem Überfluss erleidet seine Mutter einen Herzinfarkt, und als am nächsten Tag schließlich das Büffet auf dem Sommerfest aufgebaut ist, stellt sich heraus, dass das Essen verdorben ist.  Alles scheint verloren, doch keiner der Anwesenden geht auf Leos Entschuldigung ein. Sie hören ihm nicht mal zu, sondern finden das Essen großartig, jedenfalls behaupten sie das. Denn sie würden sich niemals trauen, über jüdisches Essen öffentlich etwas schlechtes zu sagen. Das hindert sie freilich nicht daran, hinter vorgehaltener Hand über das perfide Vorgehen Leos zu lästern: Das sei mal wieder typisch, insgeheim lacht er sie bestimmt aus, denn er wüsste natürlich, dass sie aufgrund der Geschichte verdammt seien, dieses grausige Zeug zu essen. Jeder neue, völlig ernsthafte Versuch Leos sich zu entschuldigen, bestätigt sie in ihrer Haltung. Durch einen TV-Bericht, in dem sich alle lobend über das Essen äußern, wird die Öffentlichkeit auf das Angebot aufmerksam, und so steht das Telefon bei Leo nicht mehr still. Er bekommt unzählige Aufträge. – Von nun an arbeitet er und Claire zusammen, ganz so wie Leo es von Anfang an wollte.

Jury: Molly von Fürstenberg (Filmproduzentin), Tankred Dorst, Prof. Andreas Gruber (Hochschule für Fernsehen und Film), Dr. Gabriela Sperl (Bayerischer Rundfunk)

2000/2001: Beatrice Dossi für “Salon Brasil”

Sambaprinzessin verwandelt Münchner Mutter-Sohn-Haushalt in Klein Rio. – Komödie.

Petra Mistry für “Die Farben des Lichts”

Seherisch veranlagte junge Frau trifft Schattengeliebten.

1999/2000: Franziska Riemann für “Die Hunde sind schuld” (1. Preis)

In der Welt untergehender Realutopien und der Unwirklichkeit der Städte entwirft Franziska Riemann augenzwinkernd und mit sicherer Hand ein milieu- und dialogsicher skizziertes Szenario für eine charmante Realgroteske. Diese hat Herz, Humor und Bodenhaftung im Lebensalltag der sonderbar skurrilen, doch stets liebenswerten Protagonisten. Aus scheinbar lebenslänglich unablebbarer Symbiose mit Mutti erlösen Franziska Riemanns liebevolle Menschenkenntnis und dramatisches Talent die männliche Hauptfigur – den schüchternen Imbissbudenbesitzer, Eigenbrötler und Hundephobiker Engelbrecht. Dem macht ganz offenbar das Kindheitstrauma mit Muttis dominantem Bernhardiner zu schaffen. Ohne jedes psychologische Tamtam schreibt die Autorin das miniaturenhaft montierte Kunststück von Engelbrechts später Emanzipation zu einem guten Ende hin. Auf dem spannenden Wege dorthin konfrontiert die Autorin Engelbrechts Infantilität mit der drallen Mütterlichkeit der verwitweten Marlene Meiser in deren besten Jahren. Diese schmucke Hausmeisterin im Hinterhof von Engelbrechts Mietshaus verordnet Franziska Riemann ihrem sympathischen Helden als ebenso handfestes wie heilsames Therapeutikum. Marlenes Handicap indes – ihr Schoßhündchen, die niedliche Terrierdame Susi – stiftet reichlich Verwirrung. Auf bemerkenswerte Weise erinnern Franziska Riemanns in sich gebrochene Figuren an Charakterbilder in Elias Canettis Essays und Personenbeschreibungen. Ihre scheinbar stabilen Charaktere tragen stets die Chance zu Anderem, mitunter Höherem, ja vielleicht Lebensglück in sich. Im Warenhaus der Filmkomödien ist Franziska Riemanns Stoff eine Preziose – ihr Talent hierfür eine Rarität.

Sylke Rene Meyer für “Wer ist Anna Walentynowicz?” (2. Preis zur Hälfte)

Sylke Rene Meyer erzählt die wahre Geschichte von Anna Walentynowicz – der Vorzeigearbeiterin auf der Danziger Lenin-Werft, der kleinsten Kranführerin der Welt, einer Waise, die Mutter wird – einem Flüchtling, der Heimat findet – einer Analphabetin, die Geschichte schreibt. Über das Schicksal der unbekannten Gründerin der Gewerkschaft Solidarnosc entfaltet die Autorin einen faszinierenden Bilderbogen der achtziger Jahre im sozialistischen Polen vor der politischen Wende. In einer geschickten Vermischung biografischen Materials und Zeitgeschichte, von historischen Fakten und emotional fokussierter Geschichte nimmt Sylke Rene Meyers Hauptfigur durch elementare Vitalität, politischen Instinkt, Charakter und Haltung gefangen. In dem Maß, wie uns die Autorin Anna Walentynowicz ans Herz legt, öffnen sich die Augen für die kleinen und letztlich großen Hintergründe echter Weltgeschichte. Ähnlich wie in Eberhard Fechners Doku-Dramen verschmilzt in Sylke Rene Meyers hervorragend recherchiertem Stoff Lebensalltag und Zeitgeschichte.

Christian Rendel für “Black Out” (2. Preis zur Hälfte)

Christian Rendels dramaturgisch raffiniert verschränkter Psychothriller stellt sich zunächst als pures Kriminalstück vor. In einem faszinierend wechselnden Rollenspiel verwandelt der Autor den Auftrag des Berliner Privatdetektivs Carlos Perdona, das Verschwinden eines minderjährigen Mädchens aufzuklären, in eine paranoide Höllenfahrt des Protagonisten von zwingender Intensität. Die ausweglose Verstrickung Perdonas in Kriminalität und Schuld wird mit hermetischer Konsequenz erzählt. Den Blackout von Perdonas Erinnerung verdichtet der Autor mit szenischer und dialogischer Kraft zu einem Danteschen Inferno von archaischer Wucht. Das besondere Talent des Autors ist es, die Hülle des äußeren Dramas von Handlung und Personen zu durchbrechen. So werden in der Subtextur dieses mitreißenden Actionkinos existenziellere Kategorien von Schuld und Sühne ohne jedes moralische Lamento spürbar. Dass der Teufel in Gestalt des Bordell- und Nachtclubbesitzers Veit Lahan die Finger im Spiel hat, ist mehr als ein klassischer Verweis auf den schmalen Grat zwischen Liebe und Leid, Eros und Gewalt, Himmel und Hölle. In Perdonas Zeitreise jedenfalls scheint es Schlimmeres zu geben als die Hölle.

1998/1999: Ursula Mauder für “Geschwister Trakl” (1. Preis)

Stilsicher und knapp in der Skizzierung ihrer historischen Lebensmilieus zwischen Salzburg, Wien und Berlin sowie menschlich genau und sensibel in den psychischen Valeurs der sich stets vor sich und der Welt verbergenden amour fouerzählt Ursula Mauder intensiv und diskret zugleich das Liebes- und Inzestdrama – die erschütternde Daseinstragödie des Dichters Georg Trakl und seiner jüngeren Schwester Gretl. Der Mythos der Geschwisterliebe – ein dem literarischen Zeitgeist der Romantik höchstes Gut verschmelzender Geschlechterbeziehung – wird in Ursula Mauders Drehbuch Geschwister Trakl als faszinierende Obsession aus Wahn und Wirklichkeit erzählt. Die filmische Dramatik gewinnt in dem zum lebenslangen Trauma verdichteten Szenario aus symbiotischer Verschmelzung, zersetzenden Schuldgefühlen, Angst, Scham, Verdrängung, Drogenexzess, Georgs Flucht in die Welt der Prostitution und die Gretls in eine Stellvertreterehe sowie durch die Selbsttötung der beiden Protagonisten ein geradezu antikisches Format eines ganz großen Liebesfilmes. Er führt den Menschen unserer Zeit Größe, Maß und Maßlosigkeit einer vergeblichen Liebe bewegend vor Augen.

Andrea Kriegl für “Rabenkinder” (2. Preis)

In Rabenkinder – einem Film über die Freiheit (so die Autorin) – gelingt es Andrea Kriegl, vor der bildmächtigen Kulisse der eisigen Bergwelt Heldenreise und Flucht des tapfer-rebellischen jungen Chrysanth, der kämpferisch-klugen Maria und der kleinen geschundenen Kinderschar aus Not und Elend ihres düsteren Bergdorfes in die heilere, bessere Welt jenseits des Berggipfels zu erzählen. Der erzählerische Reichtum an szenisch attraktiven Miniaturen, menschlich rührenden Motiven und poetischen Bildern von großer filmischer Kraft und Dramatik verknüpft sich – für Kinder und Erwachsene gleichermaßen spannend – zu einem dramaturgisch schlüssigen Spielfilmstoff vom Genre eines Bergfilmes, eines Heimatfilmes oder Abenteuerfilmes, jedenfalls eines ins Fabel- und Parabelhafte gesteigerten und mitreißenden Kinofilmes von Saft, Kraft und filmischer Spannung.