PRESSE-ECHO

Abendzeitung


Vom Talent zum Preisträger

Abendzeitung vom 10.10.2007: In der Münchner Drehbuchwerkstatt entstehen Kino- und TV-Erfolge

München Anno (David Rott) liebt das Leben. Er sucht als Extremsportler und Frauenheld ständig das Abenteuer. Sein ein Jahr jüngerer Bruder Julian (Max Pufendorf) dagegen möchte am liebsten sterben. Vergeblich versucht er immer wieder, sich umzubringen. Um Julian zu zeigen, wie schön das Leben sein kann, holt Anno ihn von Wuppertal nach München. “Das letzte Stück Himmel” heißt der BR-Film, den das Erste heute (20.15) zeigt. Jo Baier hat Regie geführt, das Buch stammt von dem jungen Münchner Journalisten Michael Watzke.

 

Geschrieben hat Watzke das Buch in der Drehbuchwerkstatt München. Dort hat er auch Werkstatt-Tutorin Gabiela Sperl kennen gelernt, Produzentin von “Das letzte Stück Himmel”. “Die Drehbuchwerkstatt ist eine Talentschmiede”, sagt Sperl zur AZ. “Immer wieder entstehen dort Stoffe, die durch ihre Originalität und ihre Authentizität eine große Kraft besitzen.”

“Marias letzte Reise” von Ariela Bogenberger ist so eine Geschichte, die ebenfalls in der Drehbuchwerkstatt München entstand. Der Film bekam Grimme-Preis, Deutschen und Bayerischen Fernsehpreis. “Meine verrückte türkische Hochzeit”, auch Grimme-Preis-prämiert, stammt von Absolvent Daniel Speck, der sogar den Bayerischen Fernsehpreis für das “beste Drehbuch” bekam. Das Buch zu Markus H. Rosenmüllers “Beste Zeit”, gerade im Kino, hat Karin Michalke geschrieben – in der Drehbuchwerkstatt. Jetzt verfilmt der BR mit Rosenmüller ihr nächstes Buch, “Räuber Kneißl”.

Seit 1989 gibt es die Münchner Drehbuchwerkstatt. Getragen wird sie vom Förderverein der Münchner Hochschule für Fernsehen und Film gemeinsam mit der Bayerischen Staatskanzlei und dem BR.

Ohne die Werkstatt wäre “Das letzte Stück Himmel” wohl nie entstanden. Autor Watzke hat Glück gehabt: 120 bis 140 Bewerber gibt es in jedem Jahr, nur zehn werden genommen (www.drehbuchwerkstatt.de). “Die Auslese ist extrem”, sagt Br-Redakteur Hubert von Spreti, einer der beiden Werkstatt-Leiter.

In der Ausbildung wird jdem Teilnehmer ein eigener Tutor an die Seite gestellt – erfahrene Autoren und Filmschaffende. Sechsmal im Jahr treffen sich alle. Immer wieder werden Größen der Filmwirtschaft zu Vorlesungen eingeladen. “Aus deshalb ist die Drehbuchwerkstatt ein Sprungbrett. Die Teilnehmer lernen viele wichtige Leute kennen”, so Sperl.

Die Ausbildung ist kostenlos. Die Autoren sind meist über 30 Jahre alt, haben sich wie Journalist Watzke oft schon eine Existenz aufgebaut. “Zum Schreiben braucht man Lebenserfahrung”, sagt Ariela Bogenberger zur AZ. Die dreifache Mutter hatte schon als Altenpflegerin gearbeitet, bevor sie “Marias letzte Reise”, die Geschichte einer Sterbenden, schrieb. Watzke verarbeitete in “Das letzte Stück Himmel” den Selbstmord seines eigenen Bruders.

“Viele der Geschichten haben einen autobiographischen Hintergrund”, sagt Gabriela Sperl. “Diese Menschen schreiben von etwas, das sie bewegt hat.” Obwohl der BR von den Talenten profitiert, entstehen in der Drehbuchwerkstatt keine Auftragsarbeiten. “Schreibt man für die Drehbuchwerkstatt, kann man schreiben, was man will. Sonst fragen sich Autoren viel zu oft: Was will der Sender. Und was dann entsteht, nennt man meist einerlei.” A. Kahl