PRESSE-ECHO

Stuttgarter Zeitung


Geburtshelfer für die deutsche Filmbranche

STUTTGARTER ZEITUNG vom 29.06.2009: Die Drehbuchwerkstatt bringt viele erfolgreiche Autoren hervor. Von Ulrike Frenkel


Im besten Fall kann es so laufen wie bei Ariela Bogenberger. Der ehemaligen Altenpflegerin, Journalistin und dreifachen Mutter ging vor einigen Jahren eine eigenwillige Geschichte durch den Kopf: Eine alte, schwer krebskranke Bäuerin verlässt das Krankenhaus, um zu Hause zu sterben. In der Münchner Drehbuchwerkstatt hatte die 47-jährige Bogenberger kurz zuvor ein Jahr lang geübt, wie man mit Fachleuten und Kommilitonen an einem schwierigen Stoff feilen, Szenen filmgerecht arrangieren und Dialoge formulieren kann. So gelang ihr, quasi als Erstling, das mehrfach ausgezeichnete Drehbuch zu Rainer Kaufmanns Fernsehfilm “Marias letzte Reise”. Sogar einen Grimmepreis in Gold hat es erhalten.

Die bayerische Tragikomödie wäre ohne Bogenbergers gefühlvolle, bodenständige Vorlage kaum denkbar gewesen. “Ohne Buch kein Film”: aus diesem Bewusstsein heraus haben der Freistaat Bayern, der Bayerische Rundfunk und die Hochschule für Fernsehen und Film schon 1989 ein Fortbildungsprogramm für Drehbuchautoren ins Leben gerufen – für den “unspektakulärsten, wichtigsten Job der Filmbranche”. Zwölf Monate dauert der Lehrgang, von Anfang Juli bis zum Münchner Filmfest im Juni des folgenden Jahres, wo die Arbeitsergebnisse dann Produzenten und Fernsehredakteuren vorgestellt werden. Zehn Auserwählte, die mit einem gut erzählten Lebenslauf und drei interessanten Stoffvorschlägen punkten konnten, werden während dieser Zeit von einem filmpraktisch erfahrenen Betreuer intensiv gecoacht, lernen viel über Dramaturgie, Filmsprache, Produktion, entwickeln ein eigenes Drehbuch und bekommen jeweils rund fünftausend Euro als Stipendium.

Nach den ersten zwanzig Jahrgängen, die das Schulungsprogramm durchlaufen haben, gibt es beim diesjährigen Filmfest an der Isar etwas zu feiern. Hans-Christian Schmid (“Nach fünf im Urwald”, “Requiem”) gehört zu den Absolventen der Münchner Drehbuchwerkstatt, der Krimiautor Friedrich Ani (“Kommissar Süden”), die Historiendichterin Tanja Kinkel und auch Bernd Lichtenberg, der Drehbuchautor von “Good bye, Lenin”. Auch wenn nicht alle Teilnehmer gleich so berühmt werden – die meisten von ihnen, bestätigt Katharina Uppenbrink, die Geschäftsführerin des Verbandes deutscher Drehbuchautoren in Berlin, kommen in der harten Film- und Fernsehbranche ganz gut unter.

Mehr als 130 Bewerbungen gehen jährlich für die begehrten Lehrgänge ein. Was müssen die Aspiranten mitbringen? “Man muss schreiben können, Lust am Film und am Geschichtenerfinden haben, ein Studium oder eine Ausbildung abgeschlossen haben und über eine gewisse Lebenserfahrung verfügen”, sagt Hubert von Spreti, der neben dem Filmprofessor Andreas Gruber die Münchner Drehbuchwerkstatt leitet. Der Abteilungsleiter Film und Teleclub beim Bayerischen Rundfunk weiß, wie das Erzählen auf Bildschirm und Leinwand funktioniert. Entsprechend kritisch fällt die Dokumentation “Ohne Film kein Buch” über die Dialoge einer jungen Autorin aus. Julia Ortmann, die an ihrem achten Geburtstag für eine Woche ihr Sehvermögen verloren hatte, versucht in ihrem Treatment mit dem Arbeitstitel “Blind” zu erzählen, was solch eine Erfahrung für ein Kind und seine Eltern bedeuten kann.

Es ist ein steiniger Weg, den die Journalistin da zu gehen hat, das verschweigt der Autor der Dokumentation Matthias Leybrand, der sie ein Jahr mit der Kamera begleitet hat, nicht. Er zeigt sie bei der Recherche und spart nicht aus, wie ihre Sätze von Schauspielern in großer Runde vorgetragen und auseinandergenommen werden.

Drei von zehn Büchern eines Jahrgangs der Münchner Filmwerkstatt würden durchschnittlich realisiert, allerdings seien die Bedingungen in der Branche deutlich schlechter geworden, sagt von Spreti. “Wenn man sieht, dass RTL praktisch seine ganze Fiction-Abteilung entlassen hat – da konzentriert sich im Moment vieles wieder auf die öffentlich-rechtlichen Sender.”